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Das Schweizer Arbeitszeugnis: Wie Sie es richtig interpretieren und die versteckten Botschaften verstehen


Ein Arbeitszeugnis in der Schweiz ist ein entscheidendes Dokument für die weitere Karriere. Es ist weit mehr als eine formelle Bestätigung der Anstellung; es ist eine detaillierte Leistungsbeurteilung, deren Sprache oft subtil und verschlüsselt ist. Wer die versteckten Botschaften nicht versteht, kann die wahren Aussagen über die eigene Arbeitsleistung leicht übersehen.


Das Schweizer Arbeitszeugnis: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung

Nach Artikel 330a des Schweizer Obligationenrechts (OR) hat jeder Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Es muss zwei zentrale Kriterien erfüllen: die Wahrheitspflicht und die Wohlwollenspflicht. Diese beiden oft widersprüchlichen Anforderungen haben zur Entwicklung einer speziellen "Zeugnissprache" geführt, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, kritische Punkte diplomatisch zu verpacken, ohne sich strafbar zu machen.

Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Zeugnissen:

  • Einfaches Arbeitszeugnis: Bestätigt lediglich die Dauer und Art des Arbeitsverhältnisses.

  • Qualifiziertes Arbeitszeugnis: Enthält zusätzlich eine detaillierte Beurteilung von Leistung und Verhalten des Mitarbeiters. Dieses Zeugnis ist in der Praxis der Standard.


Die Zeugnissprache: Die geheime Notenskala

Die Beurteilung der Leistung ist oft in standardisierten Formulierungen versteckt, die einer geheimen Notenskala ähneln.

  • Note 6 (Ausgezeichnet):

    • "Er/Sie hat die Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt."

    • "Die Leistungen waren ausserordentlich gut."

  • Note 5 (Sehr gut):

    • "Er/Sie hat die Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt."

    • "Er/Sie hat die Erwartungen in jeder Hinsicht erfüllt."

  • Note 4 (Befriedigend):

    • "Er/Sie hat die Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt."

    • "Er/Sie hat die Erwartungen erfüllt."

  • Note 3 (Ausreichend):

    • "Er/Sie hat die Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erledigt."

  • Note 2 (Mangelhaft):

    • "Er/Sie hat sich bemüht, die Aufgaben zu erledigen."

    • "Er/Sie hat die Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen erledigt." (Dieser Satz kann bedeuten, dass das Wissen oder Gewissen mangelhaft war.)

  • Note 1 (Ungenügend):

    • "Er/Sie hat die ihm/ihr übertragene Arbeit ausgeführt." (Ohne jegliche positive Bewertung.)


Versteckte Botschaften im Detail

Neben der Leistungsbeurteilung gibt es weitere subtile Hinweise, die das Verhalten und die Eignung des Mitarbeiters beurteilen.

Formulierung im ZeugnisWirkliche Bedeutung
"Er/Sie war sehr gesellig und bei den Kollegen beliebt."Der/Die Mitarbeiter/in hat mehr Zeit mit Plaudereien als mit der Arbeit verbracht.
"Er/Sie zeigte einwandfreie Disziplin."Es fehlte an Eigeninitiative. Der/Die Mitarbeiter/in hat nur Anweisungen befolgt.
"Er/Sie war stets pünktlich."Wenn Pünktlichkeit als einziges positives Merkmal hervorgehoben wird, gab es keine nennenswerte Leistung zu loben.
"Er/Sie hat unser Unternehmen im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten unterstützt."Die Fähigkeiten waren begrenzt, und die Leistung war nicht gut.
"Das Arbeitsverhältnis wird auf Wunsch des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin aufgelöst."Standardformulierung. Aber: Wenn dieser Satz fehlt, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber beendet wurde.
Schlussfloskeln: Die finale Dankes- und Wunschformel sagt viel aus. Fehlt sie, ist dies ein sehr schlechtes Zeichen. Ein Satz wie "Wir danken für die geleisteten Dienste und wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute" ohne den Ausdruck des Bedauerns signalisiert, dass das Unternehmen froh ist, dass die Person geht.

Was tun, wenn das Zeugnis nicht stimmt?

Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Arbeitszeugnis unfair ist, haben Sie das Recht, eine Korrektur zu verlangen. In der Schweiz können Sie vom Arbeitgeber die Berichtigung verlangen. Sollte der Arbeitgeber sich weigern, kann der Fall vor einem Friedensrichter oder Schlichtungsgericht verhandelt werden. Es ist ratsam, das Zeugnis von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen, bevor Sie weitere Schritte einleiten.

Fazit: Die Interpretation eines Schweizer Arbeitszeugnisses ist eine Kunst, die über das reine Lesen der Worte hinausgeht. Wer die subtilen Codes versteht, kann die wahren Botschaften entschlüsseln und fundierte Entscheidungen treffen. Ein aussagekräftiges und positives Zeugnis ist in der Schweiz ein Schlüssel zum beruflichen Erfolg und sollte daher sorgfältig geprüft werden.



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