Die Einladung zum Vorstellungsgespräch ist eine grossartige Nachricht. Doch oft folgt kurz darauf eine der grössten Hürden im Bewerbungsprozess: die Gehaltsverhandlung. Für viele ist dieses Thema mit Unsicherheit und Unbehagen verbunden. Dabei ist die Gehaltsverhandlung nicht als Konfrontation zu sehen, sondern als ein professionelles Gespräch über Ihren Wert und die Leistung, die Sie dem Unternehmen bieten. In einem wettbewerbsintensiven und teuren Markt wie der Schweiz ist die Fähigkeit, über das Gehalt zu verhandeln, eine unerlässliche Kompetenz.
Dieser Leitfaden bereitet Sie optimal auf das Gespräch vor und zeigt Ihnen, wie Sie mit Selbstvertrauen, fundierten Argumenten und strategischem Geschick den Lohn erhalten, der Ihnen zusteht.
Bevor Sie auch nur ein Wort über Geld wechseln, müssen Sie eine umfassende Recherche durchführen. Ihre Verhandlungsposition ist umso stärker, je genauer Sie Ihren eigenen Marktwert kennen.
Ein häufiger Fehler ist, eine unrealistische oder zu niedrige Gehaltsvorstellung zu haben. Nutzen Sie die folgenden Ressourcen, um eine realistische Spanne zu ermitteln:
Online-Gehaltsrechner: Websites wie Lohnbuch.ch oder die Rechner von Jobplattformen bieten detaillierte Einblicke in branchenübliche Löhne in der Schweiz. Sie können die Ergebnisse nach Region (Kanton), Branche, Unternehmensgrösse und Ihrer spezifischen Erfahrung filtern.
Branchenberichte und Studien: Viele Verbände und Beratungsfirmen veröffentlichen regelmässig Gehaltsstudien, die wertvolle Informationen liefern.
Netzwerken: Sprechen Sie mit Kontakten in Ihrer Branche, die ähnliche Positionen bekleiden. Tauschen Sie sich mit ihnen über Marktstandards aus.
Recruiter: Personalvermittler haben oft sehr genaue Einblicke in die Gehaltsstrukturen verschiedener Unternehmen und können Ihnen eine realistische Einschätzung geben.
Berücksichtigen Sie bei Ihrer Recherche auch die regionale Komponente: Ein identischer Job in der Stadt Zürich wird in der Regel höher entlöhnt als im Kanton Wallis oder im Jura, um die höheren Lebenshaltungskosten auszugleichen.
Sobald Sie Ihren Marktwert kennen, definieren Sie Ihre eigene Gehaltsspanne. Diese sollte aus drei Werten bestehen:
Wunschgehalt: Dies ist das Idealgehalt, das Sie anstreben. Es liegt am oberen Ende Ihrer recherchierten Spanne und lässt Spielraum für Verhandlungen.
Zielgehalt: Dies ist der Betrag, den Sie realistischerweise erreichen möchten. Er liegt im oberen Mittelfeld Ihrer Gehaltsspanne.
Schmerzgrenze: Dies ist Ihr absolutes Minimum. Unter diesem Betrag sind Sie nicht bereit, die Stelle anzunehmen.
Wichtig: Ihre Gehaltsvorstellung sollte immer auf Ihrem Wert für das Unternehmen basieren, nicht auf Ihren persönlichen finanziellen Bedürfnissen.
Der Zeitpunkt, die Gehaltsfrage anzusprechen, ist entscheidend. Warten Sie, bis der Arbeitgeber sein Interesse an Ihnen klar bekundet hat. Idealerweise sprechen Sie über das Gehalt erst, wenn es um ein konkretes Angebot geht.
Früher oder später wird die Frage kommen: „Was sind Ihre Gehaltsvorstellungen?“ Seien Sie auf diesen Moment vorbereitet. Statt sofort eine Zahl zu nennen, lenken Sie das Gespräch professionell auf die Position und Ihre Qualifikationen zurück.
Mögliche Antwort:
„Bevor wir über Zahlen sprechen, möchte ich zunächst die Rolle und meine Verantwortlichkeiten besser verstehen. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns über das Gehalt einig werden, sobald wir uns beide sicher sind, dass die Position perfekt zu mir passt und ich dem Unternehmen den erwarteten Wert bieten kann.“
Diese Antwort zeigt, dass Sie in erster Linie an der Aufgabe interessiert sind. Sie positionieren sich als professioneller Kandidat, der den Wert der Rolle und nicht nur den Lohn im Blick hat.
Oft wird das erste Angebot des Arbeitgebers am unteren Ende seiner Budgetspanne liegen. Nehmen Sie es nicht sofort an. Auch wenn es attraktiv klingt, ist dies der Moment, in dem Sie verhandeln können.
Professionelle Reaktion:
„Vielen Dank für das attraktive Angebot. Die Rolle klingt sehr spannend. Ich möchte es mir in Ruhe durch den Kopf gehen lassen und würde mich gerne noch einmal mit Ihnen über die Details austauschen.“
Diese Antwort verschafft Ihnen Zeit, das Angebot zu prüfen und Ihre Strategie für die Gegenforderung zu planen.
Eine Gehaltsverhandlung ist kein Pokerspiel, sondern eine Argumentationskette. Jede Ihrer Forderungen muss begründet sein.
Qualifikationen und Erfahrung: Verbinden Sie Ihre Gehaltsvorstellung direkt mit Ihren Qualifikationen. Nennen Sie konkrete Fähigkeiten, die für die Stelle entscheidend sind, und zeigen Sie, wie Ihre Erfahrung dem Unternehmen sofort zugutekommt.
Marktargumente: Verweisen Sie indirekt auf Ihren Marktwert. Sätze wie „basierend auf meinen Recherchen für vergleichbare Positionen in der Branche..." zeigen, dass Sie gut informiert sind.
Das Gehalt ist nur ein Teil des Gesamtpakets. In der Schweiz sind die folgenden Zusatzleistungen von grosser Bedeutung und oft verhandelbar:
Boni und Tantiemen: Fragen Sie nach der Bonushöhe und den Bedingungen für die Auszahlung.
Pensionskasse: Erkundigen Sie sich nach dem Vorsorgeplan des Unternehmens und dem Anteil, den der Arbeitgeber übernimmt. Ein höherer Arbeitgeberanteil kann einen wesentlichen Wert darstellen.
Arbeitszeitmodelle: Ist flexible Arbeitszeit möglich? Gibt es die Option auf Home-Office?
Weiterbildung und Karriereentwicklung: Werden Schulungen und Kurse vom Arbeitgeber finanziert? Gibt es klare Karrierepfade?
Mobilität: Ein Generalabonnement (GA), ein ÖV-Beitrag oder ein Firmenwagen können den Lohn effektiv erhöhen.
Ferientage: Fragen Sie nach der Anzahl der Ferientage. Mehr Ferientage sind ein wertvoller Benefit.
Oft sind Unternehmen bei der Verhandlung von Zusatzleistungen flexibler als beim Fixgehalt.
Die Gehaltsverhandlung ist eine Fähigkeit, die Sie lernen und perfektionieren können. Sie ist ein entscheidender Schritt, um sicherzustellen, dass Sie für Ihre harte Arbeit, Ihre Fähigkeiten und Ihre Erfahrung fair entlohnt werden. Betrachten Sie die Verhandlung als einen professionellen Austausch, bei dem Sie und das Unternehmen ein gemeinsames Ziel verfolgen: eine für beide Seiten gewinnbringende Partnerschaft zu finden.
Bereiten Sie sich gründlich vor, kennen Sie Ihren Wert und treten Sie selbstbewusst auf. Der Erfolg wird Ihnen Recht geben.
Ihr Team von MyJobsi.ch